Als ich ungefähr 12 Jahre alt war, hatte ich zusammen mit drei Freundinnen einen Überraschungs-Club. Und der ging so: Wir waren in zwei Teams aufgeteilt. Jeden Mittwoch trafen wir uns und überraschten uns. Das bedeutete, dass ein Team eine Überraschung für das jeweils andere vorbereitete und umgekehrt. Wir versuchten uns natürlich jedes Mal gegenseitig zu übertrumpfen und von Mal zu Mal noch origineller zu werden. Das war aber sehr anstrengend und der Club löste sich irgendwann auf. Das nur zum Hintergrund – noch heute liebe ich Überraschungen!
Daher meldete ich mich auch spontan beim papierwerkstatt-Adventskalender für das Thema Nikolaus. Mir schwebte mir vor, ein supertolles Nikolaushäuschen zu entwerfen, mit dem ich meine Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit überraschen wollte, heimlich versteht sich. Das Häuschen sollte so konzipiert sein, dass es Platz für einen kleinen Schoko-Nikolaus bot, frei und leicht aufstellbar war und – das wäre meine Optimalvorstellung gewesen – eine kleine Reisigrute enthielt. Auf den ersten Blick sollte der Empfänger die freundlichen Worte „Gruß vom Nikolaus“ lesen. In einem weiteren Schritt, beim erwartungsvollen Öffnen des Hauses, würde ihn dann neben der Schokolade die Zeile „Und immer schön brav sein!“, evtl. auf einem Tag untergebracht, in humorvoller Weise mahnen.
Ich stellte mir vor, wie ich am Abend des fünften Dezember noch einmal nach Dienstschluss die 30 km ins Büro fahren würde, um die Nikolaushäuschen wirklich unbeobachtet auf den Schreibtischen verteilen zu können. Oder am 6. Dezember extra früher aufstehen würde, um in aller Herrgottsfrühe Nikolaus zu spielen. Diese Möglichkeit schied aber aus, da der stellvertretende Generalsekretär, der sein Büro ebenfalls auf „unserem“ Stock hat und zur Reihe der zu Beschenkenden gehört, meist schon vor 7 Uhr an seinem Arbeitsplatz sitzt. Das war mir dann doch zu früh.
Auch über die Reisigruten zerbrach ich mir den Kopf. Woraus sind Nikolausruten traditionell – ist es Buchenreisig? Haselnuss? Auf den Spaziergängen mit den Kindern betrachtete ich alle Bäume unter dem Aspekt, ob die Zweige wohl zum Binden der Mini-Ruten geeignet wären. Zu groß durften die einzelnen Ästlein natürlich nicht sein. Birke zum Beispiel schied gleich aus – zu schlapp. Tannenzweige wären natürlich eine Alternative, die gibt’s gerade überall, gefielen mir aber nicht und hatten auch nicht die gleiche Botschaft.
Mit dem Häuschen lief es besser, mein Mann begutachtete meine ersten Prototypen und brachte sich mit Verbesserungsvorschlägen ein. Ich freute mich über sein Interesse, machte es aber doch anders.
Am Morgen des 1. Dezember wurde ich jedoch jäh aus meinen Planungen gerissen. Ich saß schon gut eine Stunde im Büro als ich meine Chefin hinter einer Kollegin die Treppe hochstürmen hörte mit den Worten „Ich folge Ihnen unauffällig!“. Und da stand sie auch schon in meinem Zimmer, stellte einen Schoko-Nikolaus auf meinem Tisch ab und verabschiedete sich. Ich glaube, sie sagte noch etwas wie „Bevor es dann doch zu spät ist…“, genau hab ich es nicht verstanden. Ich war wie gelähmt. Ein ganzer Eimer Seifenblasen war gerade zerplatzt.
Während ich mich von meinem Schock erholte, dachte ich über Folgendes nach: Okay, meine Chefin ist ihrer Zeit meist einen Schritt voraus. Sonst wäre sie ja wohl auch keine Chefin. Und deswegen kann man über ihre Terminwahl auch nicht streiten, die wird sicher ihren Sinn haben. (Immerhin konnte ich dank ihrer Weitsicht nun meinen Beitrag in aller Ruhe vorbereiten.)
Und dass sie – obwohl sie von Termin zu Termin eilt, immer neue Ideen im Kopf bewegt, mit lauter wichtigen Entscheidungsträgern spricht - noch die Feste der kleinen Leute im Blick hat – das macht sie doch auf jeden Fall sehr sympathisch. Solche Gesten zählen.
Auch die Art und Weise Ihrer Aktion hatte etwas herrlich Pragmatisches, durch und durch Aufgeklärtes: Wozu Heimlichkeiten? Das geht doch auch am helllichten Tag und bei Anwesenheit aller! In Zeiten von Facebook & Co. hat auch ein Nikolaus nichts mehr zu verbergen...
Das Beste aber meiner Meinung nach: Damit auch wirklich allen klar wurde, wer hier am Werk war und um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, hatte sie zur Sicherheit die bekannten gelben Klebezettel (in Streifen geschnitten) auf ihren Nikoläusen angebracht. Mit Gruß und Diktatzeichen, ohne überflüssiges Chi-chi. Aber seht selbst…
Und so sieht es in meinem December Daily aus:
Die Geschichte versteckt sich hier:
Auch wenn es nun nix wurde mit meinen Nikolaushäuschen – der Überraschungseffekt war ja irgendwie dahin - war ich ganz und gar nicht traurig. Das Leben steckt voller Überraschungen – und die besten davon kann man nicht planen! Die schönsten Geschichten schreibt das Leben einfach selbst…
Lasst Euch morgen von Bella überraschen - ich bin sicher, sie hat wieder Zauberhaftes vorbereitet!